
Von Carl Van Vechten - https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=85149
Josephine Baker – Die schillernde Ikone des 20. Jahrhunderts
Josephine Baker war weit mehr als nur eine Entertainerin: Sie war Tänzerin, Sängerin, Schauspielerin, Spionin, Bürgerrechtlerin und Adoptivmutter von zwölf Kindern. Ihr Leben umspannt einige der dramatischsten Umbrüche des 20. Jahrhunderts – von den „Roaring Twenties“ über den Zweiten Weltkrieg bis zur Bürgerrechtsbewegung in den USA. Sie verkörperte Modernität, Mut und die Sehnsucht nach Freiheit.
Kindheit und Jugend in St. Louis
Josephine Baker wurde am 3. Juni 1906 als Freda Josephine McDonald in St. Louis, Missouri, geboren. Die Lebensumstände ihrer Kindheit waren schwierig: Sie wuchs in großer Armut auf und erlebte schon früh Gewalt und Rassismus. Ihr Vater verließ die Familie kurz nach ihrer Geburt, und Josephine musste bereits als Kind in wohlhabenden Haushalten arbeiten, um zum Lebensunterhalt beizutragen.
Mit nur 13 Jahren heiratete sie zum ersten Mal, eine Ehe, die nicht lange hielt. Ihren Künstlernamen „Baker“ behielt sie jedoch von ihrem zweiten Ehemann. Früh entdeckte sie ihre Leidenschaft für Tanz und Musik – beides wurde für sie nicht nur ein Weg zur Selbstverwirklichung, sondern auch ein Ausweg aus den sozialen Zwängen ihrer Umgebung.
Aufstieg zur Revue-Diva in Paris
1925 wurde Baker von einer Showtruppe nach Europa eingeladen. Ihr Auftritt in der „Revue Nègre“ am Pariser Théâtre des Champs-Élysées markierte ihren internationalen Durchbruch. Die französische Gesellschaft der Zwischenkriegszeit, geprägt von Jazz, Avantgarde und einer Aufbruchsstimmung nach dem Ersten Weltkrieg, war begeistert von Bakers exotischem Stil.
Berühmt wurde sie für ihren Bananenrock-Tanz, der einerseits ein Symbol für die damalige Faszination des Westens für „Exotik“ war, andererseits aber auch Bakers bewusstes Spiel mit Klischees und gesellschaftlichen Erwartungen zeigte. Sie verwandelte diese Stereotype in Kunst und Selbstbestimmung.
In den 1920er und 1930er Jahren wurde sie zur Ikone des Pariser Nachtlebens und trat in legendären Clubs wie dem Folies Bergère auf. Ihr Repertoire umfasste nicht nur Tanz, sondern auch Gesang – Lieder wie J’ai deux amours („Ich habe zwei Lieben“) machten sie in ganz Europa bekannt.
Künstlerische Vielfalt und filmische Erfolge
Neben der Bühne eroberte Baker auch die Leinwand. In Filmen wie „Zouzou“ (1934) und „Princesse Tam-Tam“ (1935) stellte sie ihr Talent als Schauspielerin unter Beweis. Sie war eine der ersten schwarzen Frauen, die in europäischen Produktionen Hauptrollen spielte – ein Meilenstein in einer Zeit, in der Hollywood noch von starker Rassentrennung geprägt war.
Ihre Kunst verband verschiedene Elemente: afrikanische Rhythmen, Jazzmusik, Akrobatik und Humor. Damit wurde sie zu einer Vorreiterin moderner Bühnenperformances und beeinflusste Generationen von Künstler:innen.
Spionin und Heldin im Zweiten Weltkrieg
Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zeigte Josephine Baker eine andere Seite: Sie stellte ihr Leben in den Dienst der französischen Résistance. Als gefeierte Künstlerin hatte sie Zugang zu Diplomaten und hohen Militärs, den sie nutzte, um Informationen zu sammeln. Sie schmuggelte geheime Botschaften in ihren Notenblättern oder schrieb sie unsichtbar mit Zitronensaft auf Konzertprogramme.
Für ihren Mut wurde sie nach dem Krieg mehrfach ausgezeichnet: Sie erhielt das Croix de Guerre, die Médaille de la Résistance und wurde zur Ritterin der Ehrenlegion ernannt – eine der höchsten Ehrungen Frankreichs.
Engagement für Bürgerrechte und die „Regenbogenfamilie“
Nach dem Krieg kehrte Josephine Baker in die USA zurück – und war entsetzt über die fortbestehende Rassentrennung. In den 1950er und 1960er Jahren setzte sie sich aktiv für die Bürgerrechtsbewegung ein. Sie weigerte sich, in segregierten Theatern aufzutreten, und wurde zu einer prominenten Unterstützerin von Martin Luther King Jr.
Berühmt wurde auch ihre „Regenbogenfamilie“: Sie adoptierte zwölf Kinder unterschiedlicher Herkunft, Religion und Hautfarbe – ein bewusstes Zeichen gegen Rassismus und für eine Welt, in der Vielfalt als Bereicherung gesehen wird. Ihre Kinder stammten unter anderem aus Korea, Kolumbien, Finnland und Algerien. Mit dieser Familie lebte sie in einem Schloss im französischen Dorf Milandes, das sie in ein öffentlich zugängliches Symbol für Toleranz verwandelte.
"Sicherlich wird der Tag kommen, an dem Farbe nicht mehr bedeutet als die Hautfarbe, an dem die Religion als eine einzigartige Möglichkeit gesehen wird, um seine Seele auszudrücken, an dem Geburtsorte das Gewicht eines Würfelwurfs haben und alle Menschen frei geboren werden, an dem Verständnis Liebe und Brüderlichkeit hervorbringt."
Späte Jahre und Tod
Trotz finanzieller Probleme in den 1960er Jahren blieb Baker eine gefeierte Künstlerin. 1975 feierte sie in Paris ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum mit einer großen Revue, bei der zahlreiche Prominente wie Sophia Loren, Mick Jagger und Grace Kelly anwesend waren. Wenige Tage später, am 12. April 1975, starb Josephine Baker an einer Hirnblutung. Ihr Begräbnis in Paris wurde zu einem Staatsakt – tausende Menschen erwiesen ihr die letzte Ehre.
Nachwirkung und Ehrungen
Josephine Baker bleibt bis heute eine Symbolfigur für künstlerische Freiheit und zivilgesellschaftliches Engagement. Ihr Lebenswerk wurde 2021 auf besondere Weise gewürdigt: Sie wurde als erste schwarze Frau in das Pariser Pantheon aufgenommen – ein Mausoleum für die größten Persönlichkeiten Frankreichs. Dort ruht sie nun neben Victor Hugo, Voltaire und Marie Curie.
Ihre Geschichte inspiriert bis heute Musiker:innen, Schriftsteller:innen und Filmemacher:innen und steht für die Kraft, mit Kunst gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen.

Von Lucien Waléry - http://www.sheldonconcerthall.org/bakerpress.asp, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1627996
Anekdoten und Geschichten aus ihrem Leben
Josephine Bakers Leben war nicht nur geprägt von großen Bühnenmomenten und politischem Engagement – es sind auch die kleinen Geschichten, die sie zu einer unvergesslichen Persönlichkeit machen. Diese Anekdoten zeigen ihre menschliche Seite und geben Einblicke in die besondere Mischung aus Mut, Humor und Wärme, die sie umgab.
Die Freundschaft mit Grace Kelly
1951 wurde Josephine Baker in einem New Yorker Nachtclub der Zutritt verweigert, weil sie schwarz war. Grace Kelly, damals Hollywoodstar und spätere Fürstin von Monaco, war empört über diese Diskriminierung. Spontan verließ sie mit Baker und ihrer Begleitung den Club – der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Jahre später, als Baker finanzielle Probleme hatte, bot ihr Grace Kelly ein Haus in Monaco an und unterstützte sie großzügig.
Die „Regenbogenfamilie“ in Milandes
Mit ihrer „Tribu arc-en-ciel“ – ihrer Regenbogenfamilie – setzte Josephine Baker ein einzigartiges Zeichen für Toleranz. Sie adoptierte zwölf Kinder unterschiedlicher Herkunft, Religion und Hautfarbe, um zu beweisen, dass friedliches Zusammenleben möglich ist. Auf ihrem Schloss Les Milandes in der Dordogne ließ sie sogar einen kleinen Themenpark errichten, in dem Besucher das Zusammenleben ihrer Familie erleben konnten – ein mutiges gesellschaftliches Experiment in einer Zeit, in der Rassengleichheit noch weit entfernt war.
Spionage mit unsichtbarer Tinte
Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Baker für die Résistance und nutzte ihre Popularität für riskante Geheimoperationen. Eine ihrer bekanntesten Methoden: Sie schrieb Nachrichten mit unsichtbarer Tinte auf Notenblätter. So konnte sie Informationen zwischen Fronten transportieren, ohne Verdacht zu erregen – ein kreativer Akt des Widerstands, der ihr später hohe französische Auszeichnungen einbrachte.
Der ikonische Bananenrock
1926 eroberte Baker die Pariser Bühnen mit ihrem berühmten Bananenrock. Dieser Auftritt war provokant, verspielt und zugleich ein Spiegelbild des „Jazz Age“. Während manche ihn als exotisierend kritisierten, nutzte Baker ihn bewusst, um Klischees zu übertreiben und sich gleichzeitig über sie hinwegzusetzen. Er wurde zu ihrem Markenzeichen und machte sie zum Symbol der wilden 1920er Jahre.
Begegnung mit Ernest Hemingway
Der Schriftsteller Ernest Hemingway war ein großer Bewunderer Bakers. Er nannte sie „die aufregendste Frau, die je auf einer Bühne gestanden hat“. Beide verkehrten in denselben Pariser Künstlerkreisen und trafen sich regelmäßig in Cafés wie dem berühmten Café de Flore, wo sie über Kunst, Musik und das Leben diskutierten.
Ihr letztes Comeback
1975, zu ihrem 50-jährigen Bühnenjubiläum, kehrte Baker nach langer Abwesenheit triumphal auf die Pariser Bühne zurück. Die Show war ein voller Erfolg, unter den Gästen befanden sich Stars wie Sophia Loren, Mick Jagger und Diana Ross. Wenige Tage später starb Baker unerwartet – die begeisterten Kritiken lagen noch auf ihrem Nachttisch, als sie gefunden wurde.


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