
Ansturm auf die American Union Bank in New York
Von National Archives Photo - Social Security History Site, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=374093
Der Ausdruck „Schwarzer Freitag“ hat sich tief in das kollektive Gedächtnis eingeprägt – als Synonym für plötzliche Krisen, Börsencrashs, soziale Unruhen oder Naturkatastrophen. Doch woher stammt dieser Begriff eigentlich, und warum wird gerade der Freitag in Verbindung mit „schwarz“ gebracht? Um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die kulturelle, religiöse und sprachgeschichtliche Tiefe – denn der Schwarze Freitag hat ältere Wurzeln als die moderne Finanzwelt.
Die Entstehung des Begriffs: Zwischen Religion, Aberglaube und Sprachgeschichte
Der Begriff „schwarz“ steht im Sprachgebrauch vieler Kulturen für Unheil, Trauer, Tod und Verlust. In der mittelalterlichen Farbsymbolik Europas war Schwarz die Farbe der Buße und der Finsternis, in antiken Kulturen oft mit Unterwelt und Chaos assoziiert. Schon bei den Griechen galt „melas“ (schwarz) als negativ besetzt, etwa im Wort „Melancholie“ (wörtlich: schwarze Galle).
Auch der Freitag hatte in der abendländischen Tradition einen schlechten Ruf: Schon im römischen Kalender war der Freitag der Venus, der Göttin der Liebe, geweiht – ein Wochentag also, der dem rationalen, staatstragenden Denken der Römer suspekt war. In der christlichen Überlieferung wurde der Freitag zusätzlich mit dem Tod Jesu am Kreuz verbunden: Der Karfreitag galt als heilsgeschichtlich bedeutsam, aber zugleich als Tag des Leids und der Trauer.
Im Mittelalter galt Freitag als ein „Unglückstag“, an dem man weder heiraten noch neue Vorhaben beginnen sollte. In Kombination mit der „schwarzen“ Symbolik wurde der Ausdruck „Schwarzer Freitag“ über die Jahrhunderte zum sprachlichen Muster für Tage, an denen etwas Furchtbares passiert ist. Erst im 19. Jahrhundert wurde er im wirtschaftlichen Kontext etabliert – doch die emotionale Grundladung stammte aus antiker Symbolik und christlicher Tradition.

Schwarze Freitage in der Finanzwelt
📉 24. September 1869 – Der erste „Black Friday“ an der New Yorker Börse
Der erste dokumentierte „Black Friday“ im wirtschaftlichen Sinne ereignete sich in den USA, als die Finanzspekulanten Jay Gould und James Fisk versuchten, durch Goldpreismanipulation den Markt zu kontrollieren. Die US-Regierung schritt ein, woraufhin der Goldpreis abstürzte – eine Panik brach aus, Investoren verloren ihr Vermögen. Der Tag wurde rückblickend als „Black Friday“ bezeichnet, weil er den Anfang massiver finanzieller Verluste markierte.
📉 25. Oktober 1929 – Der Schwarze Freitag in Deutschland
In der amerikanischen Geschichtsschreibung ist der große Börsenkrach von 1929 als „Black Thursday“ bekannt (24. Oktober). Doch in Europa, insbesondere in Deutschland, wurde der Einbruch wegen der Zeitverschiebung am darauffolgenden Freitag spürbar – daher spricht man hier vom Schwarzen Freitag. Dieser Tag markierte den Beginn der Weltwirtschaftskrise, die weltweit Armut, Arbeitslosigkeit und politische Instabilität zur Folge hatte.
📉 19. Oktober 1987 – Der „Schwarze Montag“ mit globalem Freitagseffekt
Obwohl als „Black Monday“ bekannt, begannen die ersten Kursstürze bereits am Freitag zuvor. Die Panik breitete sich übers Wochenende aus und entlud sich am Montag in einem dramatischen Absturz der Börsen weltweit. In einigen asiatischen und europäischen Ländern wurde auch hier vom „Schwarzen Freitag“ gesprochen – je nachdem, wann die Verluste die Märkte erreichten.

Menschenmassen an der Walls Street kurz nach dem Börsenkrach
Von US-gov - From an SSA poster: http://www.ssa.gov/history/wallst.htm
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=374410
Schwarze Freitage in Politik, Gesellschaft und Natur
18. November 1910 – Schwarzer Freitag der Suffragetten (London)
Als britische Suffragetten friedlich vor dem Parlament demonstrierten, wurden sie von der Polizei gewaltsam angegriffen und schikaniert. Über 100 Frauen wurden verletzt oder sexuell belästigt, viele verhaftet. Die Presse taufte diesen Tag „Black Friday“ – ein Wendepunkt im Kampf um das Frauenwahlrecht im Vereinigten Königreich.
31. März 1948 – Schwarzer Freitag von Brisbane
In Australien führte ein Arbeitskampf von Eisenbahnern und Hafenarbeitern zu einem massiven Polizeieinsatz. Die Regierung setzte mit harter Hand Maßnahmen durch, die Streikenden wurden unterdrückt und öffentlich kriminalisiert. Der Tag ging als „Black Friday“ in die Geschichte der australischen Gewerkschaftsbewegung ein.
31. Januar 1953 – Schwarzer Freitag in Schottland und an der Nordsee
Eine gewaltige Sturmflut traf die britischen Inseln, insbesondere die Küstenregionen von Schottland, England und den Niederlanden. Am Freitag, dem 31. Januar, forderte die Katastrophe Hunderte Tote, verwüstete Siedlungen und verursachte massive Schäden. In Schottland blieb der Tag als Schwarzer Freitag im kollektiven Gedächtnis – und führte später zur Verbesserung des Küstenschutzes.
13. November 2015 Terroranschläge in Frankreich
Bei islamistisch motivierten Attentaten an fünf verschiedenen Orten im zehnten und elften Pariser Arrondissement sowie in der Umgebung des Stade de France wurden 130 Menschen getötet und 683 verletzt. Außerdem starben sieben der Attentäter in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren Attacken. Zu den Anschlägen bekannte sich die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat"(IS). Die Angriffsserie am Freitagabend richtete sich gegen die Zuschauer eines Fußballspiels, gegen die Besucher eines Rockkonzerts sowie gegen die Gäste zahlreicher Bars, Cafés und Restaurants. Auch in diesem Zusammenhang verwendeten die Medien den Begriff schwarzer Freitag.
Der Konsum-Freitag: Ein Begriff wird neu besetzt
Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wandelte sich der Begriff „Black Friday“ vollständig – zumindest in den USA. Nach Thanksgiving strömten jährlich Millionen Menschen in die Geschäfte. Händler bezeichneten den Tag zunächst ironisch, da er für überfüllte Straßen, Chaos und Stress sorgte – ähnlich wie die Polizei in Philadelphia, die in den 1950er-Jahren von einem „Black Friday“ sprach.
Doch bald änderte sich die Bedeutung: Händler verzeichneten ab diesem Tag erstmals wieder schwarze Zahlen in ihren Geschäftsbüchern. Aus dem Tag der Krise wurde ein Tag des Konsums – mit globaler Wirkung. Heute steht der Black Friday in Europa und Nordamerika für Rabattaktionen, Online-Shopping und Konsumexzesse, obwohl der Ursprung des Begriffs in Katastrophen liegt.

Der Schwarze Freitag als Spiegel historischer Umbrüche
Vom biblischen Karfreitag über antike Farbsymbolik bis hin zu den Tragödien der Moderne: Der Begriff „Schwarzer Freitag“ ist ein historisches Sprachbild, das tiefe kulturelle und emotionale Schichten berührt. Er steht für dramatische Ereignisse, für Einschnitte in Wirtschaft, Gesellschaft und Natur – aber auch für kollektive Erfahrungen von Verlust, Ohnmacht und Wandel.
Dass sich dieser Begriff in jüngerer Zeit zum Symbol kommerzieller Euphorie gewandelt hat, zeigt, wie flexibel Sprache ist – und wie sehr Begriffe von ihrem historischen Kontext gelöst und neu interpretiert werden können. Dennoch bleibt der Schwarze Freitag ein Mahnzeichen der Geschichte: Ein Tag, an dem etwas zerbricht – und die Welt sich danach nicht mehr so zusammensetzt wie zuvor.
Kommentar hinzufügen
Kommentare