
Von Los Angeles Daily News - https://digital.library.ucla.edu/catalog/ark:/21198/zz0002nv5b, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=117717773
“A guy needs somebody – to be near him. A guy goes nuts if he ain't got nobody.”
John Steinbeck – Chronist der amerikanischen Seele
Von der kalifornischen Provinz zum Nobelpreis: Das Leben und Werk des John Steinbeck
*Salinas, Kalifornien – dort, wo die Felder weit und die sozialen Kontraste scharf sind – beginnt 1902 die Geschichte eines Mannes, der später zu einem der bedeutendsten Chronisten Amerikas wird. John Ernst Steinbeck, Sohn eines deutschstämmigen Vaters und einer bildungsbewussten Mutter, wächst in einfachen Verhältnissen auf, doch mit einem offenen Blick für Mensch und Landschaft. Seine Bücher sollten später zur Stimme derer werden, die sonst kaum jemand hörte.
Herkunft und Prägung
Steinbeck wird am 27. Februar 1902 in Salinas geboren. Die bäuerlich geprägte Umgebung – dominiert von mexikanischen Wanderarbeitern, armen Farmern und Landbesitzern – prägt nicht nur seine Kindheit, sondern wird zum wiederkehrenden Motiv seines literarischen Schaffens. Nach einem abgebrochenen Studium in Stanford hält er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Diese Lebensnähe macht ihn später zu einem der glaubwürdigsten literarischen Beobachter des „anderen Amerika“.
Literarischer Aufstieg mit sozialen Wurzeln
Sein literarischer Durchbruch gelingt 1935 mit Tortilla Flat, doch seinen bleibenden Ruhm begründet er mit sozialkritischen Werken wie Of Mice and Men (1937) und The Grapes of Wrath (1939). Letzteres wird zum Klassiker der amerikanischen Literatur und bringt ihm 1940 den Pulitzer-Preis ein. Steinbeck schildert die Schattenseiten des „American Dream“ – ungeschönt, menschennah, politisch brisant.
Zwischen Politik und Literatur
In den 1940er-Jahren reist er als Kriegsberichterstatter durch Europa und Nordafrika. Später schreibt er auch Reiseskizzen, etwa in Travels with Charley, einem melancholischen Reisebericht durch die USA. Politisch bleibt er unabhängig, jedoch stets solidarisch mit den sozial Schwachen. Seine Texte kreisen immer wieder um Gerechtigkeit, Gemeinschaft und Würde.
“I wonder how many people I’ve looked at all my life and never seen.”

Von JohnSteinbeck.JPG: US Governmentderivative work: Homonihilis (talk) - JohnSteinbeck.JPG, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6314036
“But the Hebrew word, the word timshel—‘Thou mayest’—that gives a choice. It might be the most important word in the world.”
Privatleben: Drei Ehen, persönliche Zweifel
John Steinbecks Privatleben war wechselhaft und oft kompliziert. 1930 heiratete er seine erste Frau Carol Henning, eine engagierte Feministin und politische Aktivistin. Die Ehe hielt über ein Jahrzehnt und fiel schließlich dem zunehmenden Erfolg und Steinbecks beruflichem Druck zum Opfer.
1943 heiratete er seine zweite Frau, Gwyndolyn "Gwyn" Conger, eine Sängerin. Mit ihr hatte er zwei Söhne: Thomas (*1944) und John IV (*1946). Doch auch diese Ehe war von Spannungen geprägt, unter anderem durch Steinbecks häufige Abwesenheit und sein emotional schwieriges Wesen. Die Scheidung folgte 1948.
Im selben Jahr erlebte Steinbeck eine tiefe persönliche Krise: Sein enger Freund, der Meeresbiologe Ed Ricketts – das reale Vorbild für viele Figuren in seinen Büchern – kam bei einem Autounfall ums Leben. Dieser Verlust traf Steinbeck schwer. Er zog sich vorübergehend aus dem literarischen Leben zurück.
1950 heiratete er ein drittes Mal: Elaine Anderson Scott, eine Theaterproduzentin und Witwe des Schauspielers Zachary Scott. Mit ihr blieb er bis zu seinem Tod verheiratet. Die Ehe galt als seine stabilste und gab ihm in späteren Jahren Rückhalt, auch wenn Steinbeck zunehmend unter Depressionen und gesundheitlichen Problemen litt.
Steinbeck war ein Mensch voller Widersprüche: sensibel, aber oft schroff im Umgang; politisch engagiert, aber öffentlich zurückhaltend; ein Mann, der die Welt in glasklarem Realismus beschrieb, aber im Privaten oft mit Selbstzweifeln rang.
Späte Jahre und Auszeichnung
1962 erhielt Steinbeck den Nobelpreis für Literatur – eine Ehrung, die er zwar demütig entgegennahm, jedoch mit gemischten Gefühlen. Zeitweise zweifelte er daran, ob er diesen überhaupt verdiene. Kritiker warfen ihm vor, sein Werk habe seit den 1950er-Jahren an Schärfe verloren. Doch das breite Publikum sah in ihm einen moralischen Kompass – einen Erzähler, der das Unrecht nicht hinnahm, sondern benannte.
Er starb am 20. Dezember 1968 in New York an Herzversagen. Seine Asche wurde in Salinas beigesetzt, unweit der Felder, die ihn einst zum Schreiben brachten.
Stil und Besonderheiten
Steinbecks Werke leben von Klarheit, Mitgefühl und einer tiefen Verbundenheit mit der Landschaft Kaliforniens. Er schrieb weder pathetisch noch belehrend, sondern erzählerisch präzise und menschlich nahbar. Biblische, mythische und existenzielle Motive durchziehen viele seiner Romane – von East of Eden bis The Grapes of Wrath. Gleichzeitig bewahrte er sich den Blick für das Konkrete: für Armut, Arbeit, Gewalt und Würde im Alltag der „kleinen Leute“.
John Steinbeck war ein literarischer Seismograf seiner Zeit – mit einer privaten Biografie voller Brüche und einem Werk, das noch immer unter die Haut geht. Seine Geschichten erzählen von Amerika, aber sie handeln vom Menschen schlechthin.
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